Weil Wasser Leben ist
«Es ist ein heisser Tag in Burkina Faso. Die Zunge klebt am Gaumen und das Hemd am Körper. Man wünscht sich, in kühles, klares Wasser eintauchen zu können oder einfach nur ein grosses Glas Wasser zu trinken. Leider ist das nicht so einfach, denn Trinkwasser ist hier Mangelware. Weltweit haben über 783 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der Klimawandel verstärkt dieses Problem noch und vor allem Kinder leiden darunter.»
Roger Harlacher und Ronald Haug erkannten dieses Problem und entschlossen sich, etwas dagegen zu tun. Deswegen gründeten sie 2011 VIVES: Sie wollen dort helfen, wo es nötig ist. VIVES ist eine Anlehnung an das Wort vivus (lateinisch), was so viel wie lebend oder lebendig bedeutet. Die VIVES-Idee ist einfach: Wer VIVES-Mineralwasser trinkt, hilft. Von jeder verkauften Flasche VIVES-Mineralwasser fliessen je nach Flaschengrösse 10 bis 20 Rappen direkt in Hilfsprojekte in notleidenden Gebieten ein. Damit kann jeder durch den Kauf von VIVES-Mineralwasser einfach und direkt helfen. Von den Spendenbeiträgen werden in notleidenden Gebieten Brunnen gebaut.
Wir haben mit Roger Harlacher über das Projekt gesprochen.
Roger Harlacher, was hat Sie dazu bewogen, Hilfe in Afrika zu leisten?
Mir ist es wichtig, dass die Menschen hier in der Schweiz die Welt mit einer offenen Brille anschauen und den Fokus nicht nur auf das eigene Land haben. Wenn man etwas über den eigenen Tellerrand schaut, sieht man auf dieser Welt so viele Länder mit Themen, die einen betroffen machen und einen auch umtreiben. Ich war oft in Afrika als Tourist und Geschäftsmann unterwegs und habe erlebt, wie dramatisch die Situation im Kontext mit Wasser ist.
Was hat das mit Ihnen gemacht?
Ich weiss, dass es viele Organisationen gibt, die viel Gutes tun und versuchen, die Missstände zu verbessern. Dennoch hatte ich den Drang, auch einen eigenen Beitrag zu leisten und das Problem nicht nur zu sehen. Da habe ich mir gesagt: «Entweder hilfst du mit Spenden an eine Hilfsorganisation oder du stellst was Eigenes auf die Beine.» Mir liegen die Kinder und ihre Zukunft in Afrika sehr am Herzen. Viele Kinder haben dort keinen Zugang zur Schule, weil sie von der Familie anderswo eingesetzt werden – zum Beispiel zum Wasser holen.
Wie sind Sie von diesem Thema zur Idee mit VIVES gekommen?
Vor 10 Jahren habe ich mir gesagt: «Du musst für die Kinderhilfe ein Mittel, einen so genannten ‹Transporter› haben» und bin so auf das Wasser gekommen. Ein naheliegendes Thema in Afrika. Ich habe mich mit verschiedenen Abfüllern getroffen in der Hoffnung, jemanden zu finden, der für uns das Wasser abfüllt und dann auch vertreibt. Und eines war für mich immer klar: Ich wollte ein Wasser aus der Schweiz. Parallel dazu brauchte ich nebst dem Wasser eine Stiftung.
Wie gingen Sie da vor?
Ich bin kein Stiftungsexperte und wusste, dass ich in diesem Bereich Unterstützung brauchen würde. Zudem hat mich der Gedanke, mit jemand anderem gemeinsam diese Idee zu starten, sehr motiviert. So kam mir mein Studienkollege Ronald Haug in den Sinn, welcher die Stiftung «Wunderlampe» betreut. Ich erzählte ihm von meinem Plan und er war sofort begeistert.
Wie ging es dann weiter …?
Nach der konzeptionellen Arbeit starteten wir gemeinsam das erste Projekt und gingen in Vorleistung mit dem ersten Brunnen in Senegal. Das Ganze haben wir komplett privat finanziert. Weiterhin war ich auf der Suche nach einer Quelle unseres Wassers. Die Problematik war, dass jede Quelle nur ein Wasser abfüllen darf. Nach einigen Treffen konnten wir zu unserem Glück mit «Adelbodner» eine Kooperation abschliessen.
Wie funktioniert das mit der Quelle?
Eine Quelle hat eine Fassung. Eine Fassung steht für eine Marke. Diese Fassungen sind sehr rar und so gibt ein Unternehmen diese Fassung nicht gerne her. Adelbodner war von unserer Idee des VIVES-Wassers begeistert und wir konnten sie für die Zusammenarbeit gewinnen, die noch heute bestens ist. Dafür sind wir sehr dankbar, dafür sind die vielen Menschen, die von unseren Projekten profitieren, sehr dankbar.
Gab es Kooperationen mit Detailhändlern?
Ja, glücklicherweise konnten wir SPAR als Vertriebsweg gewinnen. Somit waren wir dann bei SPAR als Jubiläums-Projekt in den Regalen, aber leider nur befristet. Nebenbei suchten wir Wege, wie wir VIVES über Firmen verkaufen können. Das ist unser Hauptziel. Ein Unternehmen stellt seinen Angestellten VIVES zur Verfügung und leistet damit einen direkten Beitrag.
So kommen dann die Spenden zustande?
Genau. Somit kann das Unternehmen Projekte mitunterstützen oder ein eigenes Projekt realisieren und gegebenenfalls auch vor Ort besichtigen. Somit können wir Glaubwürdigkeit schaffen. Diese Reisen werden allerdings immer privat bezahlt. Auch unsere eigenen Reisen werden immer von uns selbst finanziert. Wir wollen jeden Franken dort einsetzen, wo er benötigt wird.
Wo waren die grossen Hürden?
Die grösste Hürde war sicher in erster Linie, eine Quelle zu finden. Dann musste ein Produkt kreiert werden und von der Idee in die Umsetzung gelangen. Zudem haben wir viel Zeit in das Finden der richtigen Partner für den Brunnen-Bau investiert.
Das war wahrscheinlich nicht ganz einfach. Wie ist Ihnen das gelungen?
Wir haben mit verschiedenen bestehenden Hilfsorganisationen in den entsprechenden Ländern zusammengearbeitet und unser Netzwerk mit Menschen, die bereits dort präsent sind, erweitert. Momentan haben wir zum Beispiel ein Projekt in Kenia. Dort habe ich engen Kontakt mit einem Bekannten, der wiederum eine Stiftung für den Aufbau von Schulen hat.
Weitere Hürden?
Eine Schwierigkeit ist, dass die meisten Organisationen, egal in welchem Land Afrikas, ziemlich in der «Pampa» liegen. Man muss dort sicherstellen können, dass die Wasserbohrungen auch gemacht werden, die erforderlichen Materialien vorhanden sind und Menschen mit dem nötigen Know-how anwesend sind. Diese Personen sind zuständig für den Bau, die Phase nach dem Bau und für die Sicherstellung der Nachhaltigkeit.
Wie kann man diese Nachhaltigkeit sicherstellen?
Alle Dorfbewohner zahlen monatlich einen kleinen Beitrag in Wasserfonds. Es gibt in jedem Dorf ein Wasserkomitee, welches diese Fonds für den Unterhalt des Brunnens nutzen kann. Dadurch, dass die Bewohner einen Betrag an den Brunnen zahlen, haben sie ein «Eigentumsgefühl». Das Komitee ist in regelmässigem Kontakt mit der Bevölkerung und begutachtet die Situation. Dies wird dann auch regelmässig an uns rapportiert.
Konzentriert ihr euch ausschliesslich auf Afrika?
Nicht ausschliesslich, aber Afrika steht für uns im Fokus. Wir hatten auch schon ein Projekt in Kambodscha und haben uns ein Konzept aus dem Tibet angeschaut.
Wie funktioniert das logistisch? Jemand aus der Schweiz will ein Wasserloch in Afrika bohren ...
Ja, das ist nicht einfach. Deshalb brauchen wir Menschen vor Ort, denen wir vertrauen können. Das ist die einzige Möglichkeit, um die Projekte zu realisieren.
Was ist das aktuelle Projekt?
Momentan arbeiten wir mit einem Konzept in Kenia und in Äthiopien. Durch die Corona-Situation sind leider beide Projekte verzögert worden. Bis Ende dieses Jahres werden sie aber glücklicherweise realisiert sein.
Stiftungen stehen in ständiger Konkurrenz mit anderen Hilfsorganisationen. Wie beurteilen Sie diese Situation? VIVES hat ja nebst den Direktspenden auch die Spenden über das Produkt und hebt sich dadurch von anderen Stiftungen ab.
Das ist korrekt. Unser Wasser wird nicht über VIVES verkauft, sondern über eine private Gesellschaft. Die VIVES-Stiftung ist Profiteur und erhält 10 Rappen von den kleinen und 20 Rappen von den grossen Flaschen. Wenn VIVES über Stardrinks (Tochtergesellschaft von Heineken) verkauft wird, legt Heineken nochmals die Hälfte als Spende obendrauf.
Was kostet es, so ein Brunnenprojekt in Afrika zu realisieren?
Zwischen 5‘000.- und 12‘000.- Franken je nach Konstellation. Unser Ziel ist es, drei bis fünf Projekte pro Jahr zu realisieren. Über die Jahre konnten wir bereits 27 Brunnen bauen und tausenden von Menschen und insbesondere Kindern helfen.
Sind Sie vor Ort, wenn z. B. eine Eröffnung eines Brunnens ansteht?
Nicht bei allen, aber wir sind oft dabei. Die Dorfgemeinschaft und der sogenannte «Chief» veranstalten dann ein Fest mit Tanz und Gesang. Ein wunderbarer und emotionaler Moment, welcher uns immer wieder darin bestärkt, das Richtige zu tun.
Warum stellt nicht der Staat diese Brunnen zur Verfügung?
Das machen die Staaten neben den vielen anderen schwierigen Themen auch. Nur gibt es in Afrika einen derart grossen Nachholbedarf an Investitionen, dass sehr vieles in die ökonomischen Zentren fliesst und die Peripherieregionen oft vernachlässigt werden. Und genau dort setzen wir an.
Wie wir alle wissen, gibt es einen grossen Wassermangel in Afrika. Wie funktioniert denn so ein Brunnen, wie erhält man Zugang zum Wasser?
Am Anfang steht die Suche nach Grundwasser. Für die Grundwasser-Suche gibt es viele ausgeklügelte Systeme, bei welchen man Messungen vornimmt und anhand von Datenerhebungen weiss, wo man das Grundwasser findet. Anhand dieser Auswertungen werden Bohrungen gemacht, ohne aber zu wissen, wie tief das Grundwasser liegt. Je tiefer, umso problematischer sind der Zugriff und der Bau der Leitungen. Es gibt viele Regionen, die Grundwasser haben, aber dieses ist begrenzt und irgendwann auch aufgebraucht.
Inwiefern begrenzt?
Bei grösseren Regionen kann es sein, dass dann das Grundwasser von einem 10 Kilometer entfernten Dorf, welches keinen Zugang hat, abgezogen wird. Man muss sich das vorstellen wie einen grossen unterirdischen See.
Wie unterstützten Sie die Dörfer nebst der Wasserversorgung?
In vielen Dörfern und Schulen gibt es keinen Zugang zu sauberem Wasser und die Hygiene ist schwierig umzusetzen, weil es keine oder nur unzulängliche sanitären Anlagen gibt. Auch dort setzten wir an und unterstützen im Vermitteln von Wissen zur Hygiene. Viele Eltern lassen aufgrund dieser Missstände ihre Kinder nicht zur Schule gehen. Gerade jetzt mit COVID 19, wo Hygiene so wichtig wäre, ist der fehlende Zugang zu sauberem Wasser besonders problematisch.
Ein tolles Projekt! Ein Blick in die Zukunft, Herr Harlacher:
Ich weiss nicht, wo wir in 10 Jahren sein werden. Aber sicher ist: Wir möchten uns noch mehr für dieses Herzensprojekt einsetzen und weiterhin möglichst viele Projekte realisieren. Das ist für uns der grösste emotionale Gewinn – weil wir wissen, wie wir damit für die Menschen in den Dörfern Afrikas das Leben nachhaltig verbessert.