Seit dem Millennium bekam «Altes» Kultcharakter
Gab es nach den 90ern noch neue Modetrends?
Bis zu den 90ern war jedes Jahrzehnt eine modische Neuerfindung. Ab der Jahrhundertwende startete dann so etwas wie die «Wiederholung der Mode», oder gab es doch noch innovative Überraschungen? Wir fragten den Stilexperten Clifford Lilley.

Schuhe, Brillen, Mützen, Gürtel und anderes notwendiges oder schmückendes Zubehör von namhaften Designern stand ab der Jahrhundertwende hoch im Kurs. Aber wirklich Neues gab es in der 2000er Mode nicht, oder?
Seit dem Millennium entstand kaum mehr noch nie dagewesene Mode, da fing an ein Retrotrend zu entstehen. Das einzig Neue war die Farbe Weiss als Farbe des Neuanfangs. Vorher war jedes Jahrzehnt eine komplette Modeneuerung, ab 2000 ist es übergegangen in: die alten Dinge integrieren, maximal neu interpretieren. Nach dem Motto: Oh Gott jetzt ist das alles vorbei, haben die Menschen so eine Art Nostalgie empfunden. Plötzlich sind Second Hand Teile begehrt geworden.
Während «Pretty Woman» in den 1990er Jahren ganz allein in ihren verrucht roten Lacklederstiefeln durch Hollywood stöckelte, wurden Overknee-Stiefel im 2010 wieder absolut «in». Gab es 2010 neues im Modedesign?
Nicht wirklich, das lag an der veränderten Einstellung. Nicht mehr der Effekt des Looks oder der Name des Modelabels waren im Fokus, sondern vielmehr: Woher es kommt, aus was ist es gemacht, ist es Fair und nachhaltig produziert. Unsere Werte haben sich mit der Klimaveränderung gewandelt.
Daneben ist das Thema Nostalgie bis heute präsent. War die Mode der 80er lange verpönt, haben so einige Pieces mittlerweile geradezu Kultstatus erlangt. Verschiedene Elemente finden sich brandaktuell wieder und Leopardenmuster sowie Neonfarben erleben ihr Revival mit Kultcharakter. Und wie Du schon sagst, Neuinterpretationen z. B. der Overknee-Stiefel sowie Varianten der Espadrilles sind heute nicht mehr wegzudenken.
Was ist Dir persönlich sympathischer, sich ständig neu erfinden oder seinem Stil für immer treu bleiben?
Beides gut, warum muss das eine besser sein als das andere. Wenn jemand seinen Stil gefunden hat und ihm treu bleibt, ist es ein sicherer Weg. Vielleicht nicht so mutig oder abenteuerlich. Es reichen deine Klassiker, die immer funktionieren und dann vielleicht noch ab und zu ein «Update» z. B. ein Blazer mit einem neuen Schnitt.
Jemand, der sich ständig neu erfindet, braucht jedenfalls viel Energie und Geld. Die dauernde Suche nach einem neuen Look verbindet man oft mit Oberflächlichkeit, sich ständig neu präsentieren. Ich denke, es ist eher eine Sache der Jugend: Wenn man jung ist, sucht man natürlich und möchte sich ausprobieren. Wir werden verführt von der Mode und haben auch keine Wahl: Du musst das nehmen, was in den Warenhäusern angeboten wird, da sind wir ziemlich ausgeliefert.
Ich persönlich bin eher der klassische Typ, nicht konservativ, aber ich habe eben meinen Stil. Ich liebe es zu schauen, was die Mode bringt. Manchmal bin ich begeistert und denke WOW und ein anderes Mal denke ich, wie kann man so was als Mode bezeichnen, schreckliche Sachen. Doch für die Jungen bedeutet das vielleicht: Hey, meine Mutter hatte so was nicht, and it is new, it is cool and fuck you (lacht).