Erste Hilfe: Nur Nichtstun ist falsch!

Text: Markus Schmid

«Jeder kann helfen»

Christoph Meier, Fachspezialist im Bereich Bildung beim Schweizerischen Samariterbund, erklärt, warum Erste-Hilfe-Massnahmen so wichtig sind und wie in Notfallsituationen Erste Hilfe geleistet werden kann.

Christoph Meier, Fachspezialist im Bereich Bildung beim Schweizerischen Samariterbund
Christoph Meier, Fachspezialist im Bereich Bildung beim Schweizerischen Samariterbund

Herr Meier, warum ist Erste Hilfe wichtig?

Man muss sich nur vorstellen, wie man sich selbst fühlen würde, wenn man als betroffene Person am Unfallort alleingelassen wird. Da ist doch jeder dankbar für Hilfe und Zuwendung. Oftmals reicht es schon, dass sich jemand um das Opfer kümmert und sagt «Ich bin für dich da!», oder unter der Notrufnummer 144 die Sanität alarmiert.

Wo fängt Erste Hilfe an, wo hört sie auf?

Erste Hilfe fängt an, sobald jemand merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist, egal ob es sich dabei um einen Unfall mit einer Verletzung oder um eine Krankheit handelt. Der nächste wichtige Schritt ist dann, dass man Zivilcourage zeigt und nachschaut, was passiert ist. Es gilt der Grundsatz: Nur Nichtstun ist falsch! Stellt sich heraus, dass es weiterer medizinischer Versorgung bedarf, sollte so lange Erste Hilfe geleistet werden, bis die Sanität eintrifft.

Soll man erst Hilfe leisten oder Hilfe rufen?

Grundsätzlich sollte man zuerst Hilfe anfordern. Dies gilt insbesondere bei Personen, die schwer verletzt oder erkrankt sind. Je schneller in solchen Fällen die Sanität vor Ort ist, desto eher kann eine betroffene Person ins Spital transportiert und dort bestmöglich behandelt werden. In der Schweiz erleiden zum Beispiel jährlich ca. 16 000 Personen einen Hirnschlag. In einem solchen Fall beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Die beste Prognose haben Personen mit Hirnschlag, die innerhalb von drei Stunden nach Einsetzen der Symptome – wie Sehstörungen, Lähmungserscheinungen oder Sprachstörungen – in einem Spital mit einer Hirnschlag-Abteilung behandelt werden. Jeder Ersthelfer ist das erste Glied in der Rettungskette und hat eine sehr entscheidende Rolle, wenn es um das Retten von Leben geht.

Wie sollten die Massnahmen bei einem Unfall idealerweise aussehen?

Dies ist abhängig von der Unfallsituation. So sollte man zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall zuerst schauen, dass man sich selbst schützt. Denn nur ein gesunder Helfer kann Erste Hilfe leisten. Also Warnweste anziehen, Unfallstelle mit Warndreieck sichern und Umstehende von Gefahrenquellen wie unsicheren Fahrzeugen und Verkehr fernhalten. Bei einem grösseren Unfall sollte man weitere Helfer holen, da man die Situation nicht allein bewältigen kann. Dann macht man eine erste Bestandsaufnahme, schaut, was genau passiert ist und wie viele Personen verletzt sind, bevor man die Sanität ruft. Wenn dies geschehen ist, kümmert man sich zuerst um die stillste Person, denn stille Verletzte haben oft schwerere Verletzungen als solche, die in der Lage sind, zu sprechen.

Wie kann ich einem Verletzten helfen, wenn ich nicht viel Ahnung von Erster Hilfe habe?

Es gibt drei Situationen, die man sich merken kann: - Eine Person ist ansprechbar und kann äussern, was das Problem ist. In diesem Fall handelt man nach ihren Wünschen. - Oder sie ist bewusstlos, atmet aber noch. Dann muss man sie in die stabile Seitenlage bringen, damit Blut oder Erbrochenes aus dem Mund ablaufen kann, sodass die Atemwege frei bleiben. Dann wird die Sanität alarmiert. - Wenn eine betroffene Person bewusstlos ist und nicht mehr atmet, muss man sofort mit der Wiederbelebung durch Herzdruckmassage und Beatmung beginnen.

Warum fällt es manchen schwer zu helfen?

Die grösste Hemmschwelle ist sicher die Angst, etwas falsch zu machen. Wir erleben aber auch immer wieder, dass Leute die Verantwortung auf andere abschieben. Diesen Effekt bedauere ich sehr.

Was wird am häufigsten falsch gemacht?

Nachteilig ist es, wenn jemand meint, in einem Notfall den Helden spielen zu müssen und dadurch sich selbst und andere in Gefahr bringt, aber auch, wenn ein Unfall nicht als Notfallsituation erkannt oder gar ignoriert wird. Damit man sich als Ersthelfer im Notfall während einer Herzdruckmassage, des Anlegens eines Druckverbandes oder der Anwendung eines Defibrillators sicher fühlt und einen kühlen Kopf bewahren kann, empfiehlt sich regelmässiges Training, etwa in einem Erste-Hilfe-Kurs der Samariter.

Kann ich belangt werden, wenn ich etwas falsch mache und ein Verletzter durch meine Hilfe Folgeschäden davonträgt?

Grundsätzlich ist jeder nach Artikel 128 Strafgesetzbuch verpflichtet, soweit zumutbar, Hilfe zu leisten. Das Mindeste ist, unter der Notrufnummer 144 die Rettungskräfte zu alarmieren. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem ein Laie für Folgeschäden nach einer Hilfsaktion, etwa wenn Rippen bei der Herzdruckmassage brechen, rechtlich verfolgt und belangt worden wäre. Als Laie ist man auf der sicheren Seite.

Erste-Hilfe-Wissen für alle

Der Schweizerische Samariterbund bietet diverse Nothilfekurse an (Wiederbelebungskurse, Notfälle bei Kleinkindern etc.) Das vollständige Kursangebot finden Sie auf www.samariter.ch oder beim lokalen Samariterverein.

Hilfreiche Apps: «Erste Hilfe des SRK» und «Erste-Hilfe-Spiel» kostenlos bei Google Play im App-Store.

Vorgehen in Notfallsituationen

Bewahren Sie Ruhe!

Gehen Sie nach folgendem Schema vor: 

Schauen - Die Situation überblicken

  • Was ist geschehen?
  • Wer ist beteiligt?
  • Wer ist betroffen?

Denken - Gefahren erkennen

  • Besteht Gefahr für Helfende?
  • Besteht Gefahr für andere?
  • Besteht Gefahr für Unfallopfer?

Handeln - Schützen und Erste Hilfe leisten

  • Sich selbst schützen.
  • Für Sicherheit sorgen.
  • Nothilfe leisten. Holen Sie Hilfe! Alarmieren Sie die Notfallnummer 144!

Geben Sie dabei Folgendes an:

  • Wo befindet sich die Unfallstelle?
  • Wer telefoniert? 
  • Was ist passiert? 
  • Wann ist der Unfall passiert? 
  • Wie viele Personen sind verletzt? 
  • Bestehen weitere Gefahren?

Notfallnummern: 117 Polizei / 118 Feuerwehr / 144 Sanität

Hilfe-Massnahmen:

  • Ansprechbar: Patient ansprechen und Erste Hilfe leisten.
  • Bewusstlos: Atmung kontrollieren und prüfen, ob die Atemwege frei sind. In Seitenlage legen: Kopf sorgfältig nach hinten, Gesicht schräg nach unten drehen (freier Abfluss aus dem Mund). 
  • Leblos: Umgehend mit Herzmassage beginnen. Jeweils 5-6 cm tief mit einer Frequenz von 100 bis 120 Mal pro Minute fest und schnell in die Brustkorbmitte drücken. 
  • Umgehend Notrufnummer 144 anrufen. Falls das Opfer blutet: Druck mit allem, was das Blut stillen kann (Hand, Handtuch, ein Stück Stoff) auf die Wunde ausüben.