Ein Kind, mehrere Sprachen, (k)ein Problem!
Mehrsprachigkeit bei Kindern unterstützen
Gerade in der Schweiz ist es nicht ungewöhnlich, mit mehreren Sprachen gross zu werden. Doch Eltern und Grosseltern sind oft verunsichert, wie viele Sprachen man dem Kind «zumuten» kann. Consumo sprach hierzu mit der Sprachexpertin Corinna Coors.

Consumo: Wie viele Sprachen kann ein Kind lernen?
Coors: Wenn der Spracherwerb simultan ist, also die Sprachen gleichzeitig dem Kind nahegebracht werden, kann es problemlos fünf oder mehr Sprachen lernen. Wichtig ist nur, wir müssen uns die Zeitfenster anschauen und die anderen Kriterien, die dafür Voraussetzung sind. Schwieriger wird es bei Mehrsprachigkeit, wenn die Kinder anfangs nur die Muttersprache hören und dann im Kindergarten eine neue Sprache dazu kommt. Weil dann ist der Prozess nicht gleichzeitig und gewisse Sprachmuster sind zu. Lernt ein Kind ab fünf Jahren eine Zweitsprache, dann ist das wie eine Fremdsprache.
Consumo: Welche anderen Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit ein Kind weitere Sprachen gut erlernen kann?
Coors: Die Sprachwissenschaftlerin Particia Kuhl (Direktorin des Institute for Learning and Brain Sciences an der University of Washington) sagte einmal im Interview mit dem Stern: «Der Weg ins Sprachgehirn führt über das soziale Hirn». «Kein Baby lernt eine Sprache, wenn es fernschaut. Fernseher sind nicht sozial». Damit drückt Sie aus, dass Sprache durch Interaktion entsteht, durch Kommunikation. Deswegen ist es das Beste, wenn man die Sprache in der Kommunikation lernt. Der heutige Medienkonsum verhindert dies leider. Dadurch, dass wir so viele Nachrichten schreiben, verkümmert die direkte Kommunikation und unser natürlicher Sprachgebrauch. Was auch sehr interessant ist, dass in der Kommunikation immer die Spiegelneuronen mitarbeiten. Das heisst häufig, wenn der eine Dialekt spricht, beginnt der andere auch mit Dialekt zu sprechen. Wir synchronisieren uns immer in der Sprache. In meinen Augen ein starkes Zeichen dafür, wie sehr Sprache mit Interkation, Imitieren und dem sozialen Austausch zu tun hat. Auch das Emotionale ist massgebend.
Consumo: Was meinen Sie mit «das Emotionale ist massgebend», um eine Sprache gut zu lernen.
Coors: Dabei geht es um die Frage, wie ist die jeweilige Sprache emotional besetzt? Am Ende muss das Kind Freude haben an der Kommunikation in der Sprache. Und da muss man eben auch schauen, was verbinden die Eltern mit der Sprache. Daher ist es wichtig, dass die Eltern mit ihrem Kind in ihrer «Herzenssprache» sprechen.

Consumo: Wenn Eltern nun mehrere Sprachen sprechen, wie löst man das am besten?
Coors: Immer die «Herzenssprache» bevorzugen, mit der sich die Eltern am meisten identifizieren. Wenn beide Eltern mehrere Sprachen sprechen, dann empfehle ich es einfach situationsabhängig machen, oder je nach Kontext. Wenn wir jetzt mit der Oma zusammen sind, sprechen wir Italienisch. Wenn wir aber jetzt mit deinen Freunden aus der Deutschschweiz zusammen sind, dann sprechen wir Schweizerdeutsch. Wichtig ist, dass Eltern ihren Kindern die Möglichkeit geben, ausreichend Kontakt mit der weiter zu erwerbenden Sprache zu haben und diese zu gebrauchen.
Consumo: Manche Eltern verzweifeln, weil das Kind sich weigert, die Sprache der Mutter oder des Vaters zu sprechen. Woran liegt das?
Coors: Das ist noch ein wichtiger Aspekt, dass Kinder auch wirklich die Notwendigkeit sehen müssen, die Sprache zu sprechen. Z. B. wenn Mama mich doch auch versteht, wenn ich Deutsch antworte? Oder wenn das ganze Umfeld arabisch spricht, warum soll ich dann Deutsch sprechen? Und auch hier hat das Sprachen lernen viel mit dieser emotionalen Besetzung zu tun, mit Wertschätzung.