Eine Schweizer Drag Queen im Interview
Sieben Fragen an die Verwandlungskünstlerin Paprika
Seit 13 Staffeln sucht die legendäre Drag Queen Ru Paul in der nach ihr benannten Castingshow «Ru Paul’s Drag Race» nach der besten Drag Queen der USA. Auch in der Schweiz werden Drag Queens ein immer wichtigerer Teil der Popkultur.
In seiner Freizeit verwandelt sich Michel nachts regelmässig in die Drag Queen Paprika, wird sogar für Auftritte gebucht und gewann bereits namhafte Titel wie Miss Heaven und Miss Congeniality. Wir haben mit ihm über die Schweizer Drag Szene gesprochen und spannende Einblicke in das Leben als Drag Queen erhalten.
Was bedeutet Drag für dich?
Drag bedeutet für mich die Freiheit zu haben, sich so zu präsentieren, wie man möchte, ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Normen zu nehmen. Von klein auf wird uns beigebracht, wie wir und als Frau oder Mann anzuziehen und zu präsentieren haben. Mit Drag widersetzt man sich dieser Norm und bestimmt die Regeln selbst.
Drag ist eine Kunstform. Es ist viel mehr eine Theaterrolle und sollte grundsätzlich vom Begriff der «Gender-Identität» differenziert werden. Ich definiere mich zum Beispiel immer noch als Mann, auch wenn ich mich als Drag Queen verkleide. Drag kann jedoch helfen Gender-Stereotypen zu hinterfragen. Ein Mann darf auch feminin sein, eine Frau auch maskulin und man kann sich auch zwischen oder ausserhalb dieser beiden Geschlechter bewegen.
«Drag Queens sind schon seit jeher die Gallionsfiguren der queeren Bewegung»
Bei dieser Frage kommt es darauf an, wie fest man die Kunstform «Travestie» von Drag unterscheiden möchte. Die amerikanisch geprägte Schweizer Drag Szene ist in der jetzigen Form relativ jung und spielt sich hauptsächlich im Zürcher Nachtleben ab. Travestiekünstler- und -künstlerinnen gibt es jedoch schon länger. Die Geschichte eines Travestiekünstlers (der mit seinem Mann die erste eingetragene Partnerschaft der Schweiz bildete) wurde sogar verfilmt (Anm. d. Red.: Der Kreis, 2014).
Was gehört für dich alles dazu eine Drag Queen zu sein?
Mut zu haben, sich Normen zu widersetzten sowie eine grosse Portion Kreativität und ganz viel Ausdauer! Das sind meiner Meinung nach die Aspekte, welche essenziell sind, egal in welchem Bereich man als Drag Queen tätig ist. Sei es als Drag DJ, Model, Performer oder Comedian.
Drag Queens sind schon seit jeher die Gallionsfiguren der queeren Bewegung. Denken wir zurück an Marsha P. Johnson.: Drag Queen, Transfrau und Sexarbeiterin, die einen Aufstand gegen die Polizeigewalt ins Leben rief. Dieser politische Gedanke gerät durch die Kommerzialisierung der Drag Kultur leider immer mehr in den Hintergrund.
«Als Drag Queen das zu sein, worauf man Lust hat – das fühlt sich wahnsinnig befreiend an»
Als ich mich anfangs ungeschminkt in einem Kleid sah, fand ich das total seltsam. Ich merkte, wie stark ich das heteronormative Denken verinnerlicht hatte. Ich musste erst lernen, dass es in Ordnung ist, sich als Mann feminin anzuziehen. Gender-Stereotypen zu durchbrechen und einfach das zu sein, worauf man Lust hat, das fühlt sich wahnsinnig befreiend an.
Die Verwandlung hat etwas sehr Meditatives für mich. Ich setzte mich zweieinhalb Stunden hin und bepinsle mein Gesicht. Mein liebster Moment ist es jedoch, wenn ich fertig gestylt aus dem Backstage schreiten kann, um mit queeren Menschen eine tolle Zeit zu verbringen.
Liebe Paprika, vielen Dank für das Gespräch,
die Consumo-Redaktion.