Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Mode oder ernsthafte Erkrankung?
Wenn der Bauch blubbert und bläht oder sogar krampft, dann ist das keine Einbildung. Tatsächlich fördert unsere moderne Ernährung chronische Verdauungsbeschwerden. Die gute Nachricht: Sie lassen sich wieder lindern, wenn man die Zusammenhänge kennt.
Neulich beim Familientreffen: Tante Petra verträgt keine Laktose und lehnt die Sahnetorte ab, genau wie ihre vegan lebende Tochter. Die klagt allerdings über heftige, andauernde Blähungen. Vater Markus hat neuerdings Probleme mit Weizen, sagt er. Ist die Nahrungsmittelunverträglichkeit das neue Lifestyle-Muss oder eine Krankheit?
Jeder Sechste hat Laktoseintoleranz
Wenn der Bauch immer wieder krampft, bläht oder zu Durchfall neigt, kann es sein, dass Milch- oder Fruchtzucker (Laktose oder Fruktose) nicht oder nur in geringen Massen vertragen werden. Weitere typische Symptome sind Kopfweh oder das Gefühl, benebelt zu sein. Oft schleicht sich die Intoleranz im Laufe des Lebens heran. So vertragen die meisten Menschen Milch in der Kindheit gut. Doch bei rund 15 Prozent der Erwachsenen lässt die Aktivität des Enzyms Laktase mit den Jahren nach. Führen Sie bei Verdacht ein Ernährungs- und Beschwerdetagebuch und besprechen Sie dieses mit einem Arzt oder einer Ärztin. Klarheit verschafft ein H2-Atemtest. Hier zeigt der Wasserstoffanteil in der Atemluft an, wie Frucht- oder Milchzucker im Darm verarbeitet werden.
Woher kommen die Magen-Darm-Beschwerden?
Nahrungsmittelintoleranzen sind etwas anderes als Lebensmittelallergien. Bei einer Intoleranz gibt es einfach nicht genügend Transporteiweisse in der Darmwand, um zum Beispiel den gesamten Milch- oder Fruchtzucker aufzunehmen. Er wandert zum Dickdarm, wo die Bakterien daraus Gase produzieren – so kommt es zu Blähungen, Bauchgrummeln oder Schmerzen. Unsere moderne Ernährung kann im Prinzip jeden Körper überfordern. Fruchtzucker nehmen wir heute teilweise in gigantischen Mengen zu uns – meist versteckt. Ein bis zwei Portionen Obst pro Tag sind fast nie ein Problem! Aber in Limonaden, Fertiggerichten und Süssigkeiten wird Fruktose oft in rauen Mengen zugesetzt. Schätzungen zufolge leidet etwa ein Drittel der Bevölkerung in den Industrieländern unter einer nicht angeborenen Fruktosemalabsorption. Die gestörte Darmflora kann dazu führen, dass Nährstoffe wie Zink oder Folsäure schlechter aufgenommen werden. Das schwächt auf Dauer das Immunsystem, stört die Hormone und den Schlaf. Denn auch die Aminosäure Tryptophan wird schlechter aufgenommen. So wird weniger vom Glücksbotenstoff Serotonin und vom Schlaf-gut-Hormon Melatonin gebildet. Eine gestörte Darmflora begünstigt auch die Histaminintoleranz. Diese zeigt sich zum Beispiel mit Hautrötungen und Juckreiz, Schwellungen, Kopfweh oder Herzrasen nach dem Genuss von Alkohol, Käse, Wurst oder Fischkonserven. Grund ist zu wenig abbauendes Enzym für Histamin (Diaminoxidase, DAO). Die Lösung ist eine kurze, konsequente Auslassdiät unter ärztlicher Aufsicht. So kann sich die Schleimhaut regenerieren. Im Anschluss werden die Lebensmittel einzeln wieder eingeführt. Was Reaktionen auslöst, wird längerfristig ausgespart.
Zöliakie und Weizensensitivität
Die Zöliakie ist eine Autoimmun-Reaktion auf das Klebereiweiss Gluten. Betroffene müssen Glutenhaltiges wie Weizen lebenslang meiden. Doch auch immer mehr Menschen ohne Zöliakie haben den Eindruck, Weizen nicht gut zu vertragen. Dahinter könnten hochgezüchtete Weizensorten oder neue Backtechniken stecken: Denn, wenn Grossbäckereien ihre Teiglinge nur kurz gehen lassen, stecken diese voller kurzkettiger Zucker (FODMAP), warnt Prof. Reinhold Carle von der Universität Hohenheim. Durch alte Brotbacktechniken werden die FODMAP reduziert. Probieren Sie Brot vom Traditionsbäcker. Falls dies Linderung schafft, liegt es nahe, dass Ihre Weizensensitivität in erster Linie dem modernen Lebensstil geschuldet ist.